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Selbstgebaute Drohnen, Waffen, Panzerung – das smarte DIY-Arsenal der Ukraine

Korrespondent für Innovation, Netzwelt und IT
Drohnen mit Sprengvorrichtung kommen im Ukraine-Krieg regelmäßig zum Einsatz Drohnen mit Sprengvorrichtung kommen im Ukraine-Krieg regelmäßig zum Einsatz
Drohnen mit Sprengvorrichtung kommen im Ukraine-Krieg regelmäßig zum Einsatz
Quelle: pa/AA/Narciso Contreras
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Granatenteile aus dem 3D-Drucker, direkt an die Front geschickt: Weltweit unterstützen Freiwillige die Ukraine mit selbst hergestellten Waffen und medizinischen Hilfsgütern. Die Bedeutung dieses technischen Vorteils haben längst auch deutsche Unternehmen wie Rheinmetall erkannt.

Worum geht es

Die Drohne schwebt über ein Feld in der Ost-Ukraine, ihre vier Rotoren haben durch die gut ein Kilo schwere RKG-3-Granate in einer Halterung an der Unterseite zu kämpfen. Über einem russischen BMP-Schützenpanzer stoppt die Drohne – und lässt ihre tödliche Last fallen.

Die Granate fällt gerade ins Ziel. Ihre Hohlladung durchschlägt das dünn gepanzerte Dach des Kettenfahrzeugs, das sofort explodiert. Die Drohne steigt rasch, um sich in Sicherheit zu bringen. Anschließend fliegt sie zurück, um neue Munition zu holen.

Für einen kurzen Moment im zugehörigen Video ist die genaue Form der Granate zu erkennen: An ihrer grünen Hülle sind Leitfinnen aus schwarzem Plastik zu erkennen, dank derer die Granate genau mit der Spitze der Hohlladung auf den Panzer trifft. Die Granathülle wurde für den Drohneneinsatz modifiziert.

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Die Plastikteile dafür werden von Freiwilligen überall auf der Welt per 3D-Drucker hergestellt und dann in die Ukraine geschickt. Sie sind nur ein Projekt einer ganzen Selbstbau-Kampagne von Tech-Pionieren, die Waffen, Drohnen, Panzerung und medizinische Hilfsmittel für die Front in ihren Hobbykellern oder Start-ups produzieren. Sie zeigen, welche Bedeutung 3D-Drucker bereits jetzt im Kriegseinsatz haben.

Das Drohnen-Video stammt von der ukrainischen Freiwilligen-Organisation Aerorozvidka – einer Gruppe technikaffiner Ukrainer, die mittels Computern und 3D-Druckern improvisierte Waffen an die Front schicken. Eines ihrer ersten Selbstbau-Projekte war die Modifikation der RKG-3-Granate.

Die Quadcopter-Drohnen der Ukrainer können normalerweise nur Handgranaten tragen – und damit Soldaten in Schützengräben angreifen, nicht aber gepanzerte Fahrzeuge. Für letzteren Fall braucht es sogenannte Hohlladungen, die für den Einsatz gegen Panzerung gebaut sind. Sie werden normalerweise an der Spitze einer Panzerabwehrrakete verschossen.

Per digitalem Bauplan in die ganze Welt

Die RKG-3 ist ein Relikt der 50er-Jahre: Sie soll eigentlich per Hand auf Panzer geworfen werden – eine fast suizidale Mission für die Soldaten, die sich feindlichen Panzern dafür bis auf 15 Meter nähern müssten. Die Ukrainer haben in ihren Arsenalen noch hunderte der Uralt-Granaten. Die anonymen Tüftler von Aerorovizka entwarfen nun also die Luftleitfinnen für die Granaten, dank derer sie zur tödlichen Drohnen-Waffe werden.

Die Pläne für die Granatenteile schicken die ukrainischen Tüftler als digitalen Bauplan an 3D-Drucker-Besitzer überall in der Welt, zum Beispiel an eine Freiwilligengruppe im lettischen Wolmar. Dort produzieren technikaffine Letten unter dem Namen „3D Wilde Bienen“ Teile für die ukrainischen Drohnen-Streitkräfte. Bereitwillig zeigt Janis Ozols, der Initiator der Gruppe, auf Facebook seine Produktion, mehrere tausend Granaten-Hülsen haben die „Wilde Bienen“ bereits produziert.

Im Interview mit dem lokalen Fernsehsender LTV sagte Ozols, er wolle mit seiner Arbeit verhindern, dass die Russen als Nächstes die baltischen Staaten angreifen. Die Initiative ist allerdings nicht ohne Risiko für Ozols. Inzwischen drohen ihm russische Wagner-Söldner online mit Vergeltung.

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Laut ukrainischen Medienberichten wurden bislang insgesamt über 60.000 3D-gedruckte Bombenhüllen von Freiwilligen weltweit in die Ukraine geschickt – der ukrainische Zoll erlaubte die Einfuhr, indem die Zöllner die Teile als Kinderspielzeug oder Kerzenhalter klassifizierten.

Graben-Periskope, Kniepolster, Spähschlitze

Doch nicht nur Granaten werden per 3D-Drucker gedruckt, sondern auch Drohnenteile, medizinische Produkte sowie Schutzabdeckungen für Schützengräben. Die Spezialisten der polnischen 3D-Druck-Firma Sygnis SA aus Danzig betreiben das Projekt „Tech against tanks“ und arbeiten dabei an einer ganzen Reihe von Projekten für die Ukraine.

Insbesondere in den ersten Monaten des Krieges waren sogenannte Tourniquets, spezielle Aderpressen zum Abbinden der Blutung großer Arterien, knapp. Also produzierten Start-ups in ganz Polen die passenden Plastikteile im 3D-Drucker, zusammengenäht wurden die Aderpressen anschließend von Freiwilligen in der Ukraine.

Inzwischen sind ausreichend Tourniquets in der Ukraine verfügbar. Die Gruppe um Initiator Andrzej Burgs arbeitet deswegen an neuen 3D-Modellen für den Grabenkampf: Die Start-up-Ingenieure haben unter anderem ein Graben-Periskop, Kniepolster sowie Plastik-Spähschlitze für Sandsackbarrikaden entworfen.

In 3D-Druckern wie diesen werden die Granatteile produziert
In 3D-Druckern wie diesen werden die Granatteile produziert
Quelle: pa/abaca/Lafargue Raphael/ABACA

Doch die aktuell vielleicht wichtigsten Selbstbauwaffen in der Ukraine sind Drohnen: Die Ukrainer wie auch die Russen haben eine Tandem-Taktik für den effizienten Angriff mit explosiven Drohnen entwickelt. Mit einer Aufklärungsdrohne werden aus der Distanz zuerst Ziele ausgemacht. Diese werden dann mit einer zweiten, besonders schnellen FPV-Drohne voller Sprengstoff angegriffen, die per Videokamera-Feed ins Ziel geflogen wird.

Da große Drohnenhersteller wie etwa DJI inzwischen den Export ihrer Drohnen nach Russland und in die Ukraine verhindern wollen, bauen die Ukrainer viele ihrer FPV-Flieger selbst. Fast alle Plastikteile dafür lassen sich im 3D-Drucker produzieren. Die Drucker stammen wiederum von Freiwilligen-Initiativen überall auf der Welt, vor allem in Osteuropa. Allein „Tech against tanks“ hat laut eigenen Angaben dutzende Drucker in die Ukraine geliefert.

3D-Drucker als Grundausrüstung im Krieg?

Doch nicht nur kleine Flieger kommen inzwischen aus dem 3D-Drucker: Die britische Militärtech-Firma QinetiQ hat im Auftrag der britischen Regierung in einem geheimen Projekt eine große Delta-Flügel-Drohne entwickelt, deren Rumpf fast komplett aus Plastik gedruckt und von Turbinen aus dem Modellbau angetrieben wird.

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Die Drohne wurde auf dem britischen Flugversuch-Testgelände Boscombe Down getestet und ist laut britischen Medienberichten bereits im Einsatz. Sie soll erheblich leistungsfähiger als andere kommerzielle Modelle zugleich aber wesentlich billiger als Militär-Modelle sein.

Die QinetiQ-Drohne ist ein Resultat des größeren Entwicklungsprogramms KINDRED vom britischen Verteidigungsministerium, das schnell einsetzbare Waffen für die Ukraine liefern soll. Zugleich wollen die Briten mit dem Programm ausprobieren, welche neuen Möglichkeiten für die eigene Armee aus der Start-up-Welt kommen könnten. Ein Ergebnis schon jetzt: Jede Armee sollte 3D-Drucker für ihren nächsten Einsatz bereithalten, da sie ermöglichen, schnell neue Einsatzmittel für einen sich schnell wandelnden Konflikt zu produzieren.

Das haben auch deutsche Unternehmen längst realisiert: Der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall zeigte Ende Juni erstmals eine mobile 3D-Druck-Fabrik: In mehreren Containern kann die „Mobile Smart Factory“ direkt in die Nähe der Front transportiert werden, um dort Ersatzteile für beschädigte Bodenfahrzeuge zu produzieren.

Die Drucker im Container können nicht nur Plastik-, sondern auch Metallteile produzieren. Einer der ersten möglichen Einsatzorte für die Technik könnten Reparatur-Werkstätten für Panzer deutscher Herkunft in der Ukraine werden.

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