„Houston wir haben ein Problem“, ist der bekannte Funkspruch der abgebrochenen US-Mondmission Apollo 13. „Oberpfaffenhofen, wir haben ein Problem“, will in Zukunft bei ähnlichen Missionen sicher niemand hören. Doch es könnte passieren. Vor den Toren Münchens soll das Kontrollzentrum für das sogenannte Lunar Gateway entstehen. Es ist die Umschreibung für eine kleine Raumstation, die etwa ab 2027 in einer elliptischen Bahn permanent den Mond umkreisen soll.
Gedacht als Weltraumlabor, Umsteigestelle und Sprungbrett für bemannte Landungen auf dem Erdtrabanten, Flüge zum Mars und für Robotermissionen. Für die Betreuung dieser fliegenden Mondstation wurde jetzt in München eine Absichtserklärung unterzeichnet.
Das Milliardenvorhaben eines Lunar Gateway ist praktisch das Nachfolgeprojekt der Internationalen Raumstation ISS, deren Tage im All gezählt sind. Ihr Ende wird für 2030 vorgesagt. Derzeit wird von Oberpfaffenhofen das 2008 an die ISS angekoppelte europäische Modul Columbus gesteuert und die Aktivitäten der Astronauten betreut. Das künftige Mondkontrollzentrum soll hier anknüpfen.
Dazu unterzeichneten jetzt in München das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Europas Raumfahrtagentur ESA und der Freistaat Bayern Vorverträge. Damit würde Deutschland als größter Beitragszahler der ESA maßgeblich an der Kontrolle der den Mond umkreisenden Station beteiligt und für den europäischen Teil wieder die Kontrolle übernehmen.
Ähnlich wie bei der ISS wird auch das Lunar Gateway von mehreren Raumfahrtagenturen getragen. Von der Nasa, der kanadischen CSA, Europas ESA und MBRSC aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Russland war noch beteiligt, stieg 2021 wieder aus und treibt jetzt mit China Mondprojekte voran.
Kritik am Lunar Gateway
Die Idee einer den Mond umkreisenden Station, die im Unterschied zur ISS nicht permanent bemannt sein wird, war nicht unumstritten. Das Konzept für ein „Deep Space Gateway“, wie es in einem Budgetentwurf 2017 noch hieß, entstand bereits vor Jahrzehnten. Eine Besonderheit ist die ellipsenförmige Flugbahn, die zwischen 1500 und 70.000 Kilometern zum Mond schwankt. Zum Vergleich: Die ISS umrundet die Erde in gut 400 Kilometer Höhe.
Kritiker monieren, warum Astronauten auf dem Weg zum Mond mühevoll im Weltraum umsteigen sollen, statt wie bei Apollo-Missionen direkt zum Mond zu fliegen. Die Nasa argumentiert mit Vorteilen der Flugbahn, etwa kürzere Flugzeiten im Mondschatten. Zudem stritten sich die Milliardäre Elon Musk und der Amazon-Gründer Jeff Bezos, welche Technik bei der nächsten bemannten Mondlandung zum Einsatz kommt.
Von Kritik an dem Vorhaben war bei der Veranstaltung in München nichts zu hören. Alle Beteiligten betonten die wegweisende Bedeutung der Raumfahrt für die Menschheit. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist ohnehin ein Raumfahrt-Fan und sieht sich in der Förderung der Branche bestätigt.
„Der Mond ist so sexy wie nie“, sagte er mit dem Hinweis auf den neu entbrannten internationalen Wettlauf zu dem Erdtrabanten. „Bayern ist eine klare Weltraummacht“, erklärte der CSU-Chef, der vor Jahren schon die Initiative „Bavaria One“ zur Belebung der Branche startete.
Es sei ein „schwerer strategischer Fehler“, dass die Ampel-Regierung das nationale deutsche Raumfahrtbudget gesenkt habe, betonte Söder. Bei einem Regierungswechsel werde dies geändert.
Detailplanung in den Händen der Nasa
Auch ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher betonte die Aufbruchstimmung in der Branche und die Bedeutung der künftigen Weltraumwirtschaft. Er hatte sich zuvor noch in einer Rundreise in Süddeutschland bei diversen Raumfahrtfirmen über ihre Aktivitäten informiert.
Bei allem Enthusiasmus für das Mondkontrollzentrum ist die Detailplanung für den Einsatz noch offen und liegt in den Händen der Nasa mit ihrem zentralen Kontrollzentrum in Houston in Texas. Von dem einst unter dem Ex-US-Präsidenten Donald Trump verkündeten Ziel einer bemannten US-Mondlandung 2024 redet niemand mehr. Das Lunar Gateway ist für die Nasa ein zentraler Baustein ihres Artemis-Projektes, also der Rückkehr der Amerikaner auf den Mond mit einer bemannten Mission.
Das Lunar Gateway sollte ursprünglich im All einsatzbereit sein, bevor die US-Mondlandemission starten kann. Aber daraus wird nichts. Etwa 2028 sollen Astronauten der Mission Artemis IV erstmals das Gateway nutzen. Eigentlich war das schon für 2025 mit der Mission Artemis III vorgesehen.
Im November 2022 flog die Artemis 1-Mission und umkreiste mit einer unbemannten Orion-Kapsel den Mond. Gestartet wurde mit der US-Schwerlastrakete SLS. Auf Herbst 2025 hat sich die erste bemannte Mondumkreisung (Artemis II) inzwischen verschoben.
Bei der Artemis-III-Mission, geplant im September 2026, soll als Mondlandevehikel eine Spezialversion der Starship-Rakete des US-Unternehmens SpaceX von Elon Musk zum Einsatz kommen. Dabei ist ein Umsteigen von Astronauten im All geplant, von einer Orion-Kapsel in das Starship-Landegerät – noch ohne das Lunar Gateway.
Es sind sehr komplexe Vorhaben, bei denen es noch viele offene Fragen und bereits Verzögerungen und Verluste gibt. So steht die weltgrößte Rakete Starship nach zwei Fehlstarts unmittelbar vor dem dritten Testflug, ist aber bisher nicht für bemannte Flüge zugelassen.
Das Lunar Gateway besteht aus fünf Modulen, wovon zunächst zwei gestartet werden. Der US-Konzern Northrop Grumman hat 2021 zwar einen Festauftrag über knapp eine Milliarde Dollar für ein Lunar-Gateway-Modul erhalten, verbucht aber bereits 100 Millionen Dollar Verlust aus dem Projekt. Auch Airbus ist über seinen Raumfahrtbereich eingebunden und liefert Energiesysteme für die fliegende Mondstation.