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Airbus

„Ich spüre hier nirgends Häme über Boeing“

Autorenprofilbild von Olaf Preuß
Von Olaf PreußWirtschaftsreporter
Veröffentlicht am 12.04.2024Lesedauer: 4 Minuten
Montage von Rumpfsegmenten für Modelle der A320-Baureihen bei Airbus in Hamburg-Finkenwerder
Montage von Rumpfsegmenten für Modelle der A320-Baureihen bei Airbus in Hamburg-FinkenwerderQuelle: Bertold Fabricius

Der weltweit führende Flugzeughersteller Airbus vereinbart mit der Gewerkschaft IG Metall für den deutschen Markt Verbesserungen bei Leiharbeit, Werkverträgen und der Flexibilität von Arbeitszeiten. Die Qualitätsprobleme des Konkurrenten Boeing werden als mahnendes Beispiel gesehen.

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Der weltweit führende Flugzeughersteller Airbus hat mit der Gewerkschaft IG Metall die bessere Ausgestaltung von Arbeitsplätzen in Deutschland ausgehandelt. Ein zentrales Element dessen ist: Befristete Beschäftigung wird generell auf 36 Monate beschränkt – das galt bislang bereits für Leiharbeitskräfte und wird nun auch für fest angestellte Männer und Frauen eingeführt, die bei Airbus arbeiten. Das teilten Airbus und die IG Metall am Mittwoch bei einer Pressekonferenz mit. Bislang haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter teils bis zu sieben Jahren in unterschiedlichen Beschäftigungsformen gearbeitet, ohne unbefristet fest angestellt zu sei. Alle Vereinbarungen gelten bis 2030.

Vorausgegangen waren sechs Monate Verhandlungen für die umfangreichen Überarbeitungen. „Wir haben ein starkes Paket geschnürt, das unseren Mitgliedern bei Airbus mehr Flexibilität und Sicherheit bringt“, sagte Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste. „Wir sichern somit die Souveränität der Beschäftigten und schaffen Ungerechtigkeiten bei der Übernahme von Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern ab. Weniger Leiharbeit und kürzere Einsatzzeiten führen zu mehr sicheren Arbeitsplätzen.“

Marco Wagner, Personalchef des zivilen Flugzeugbaus von Airbus in Deutschland, sagte: „Die Verhandlungen waren intensiv, aber am Ende haben wir gemeinsam faire Lösungen gefunden, die uns in einem volatilen Geschäftsumfeld die notwendige Flexibilität bieten und Airbus als attraktiven Arbeitgeber auszeichnen.“

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Zu den Ergebnissen der Verhandlungen zählt unter anderem auch die Möglichkeit, dass fest angestellt Mitarbeiter im zivilen Flugzeugbau von Airbus Zeiten ihrer Langzeit-Arbeitskonten künftig flexibler auch nach ihren eigenen Bedürfnissen einsetzen können. Leiharbeitskräfte, die Mitglied der IG Metall sind, werden künftig vom dritten Einsatzmonat an zu den gleichen Konditionen bezahlt wie Festangestellte. Beim Übergang von Leiharbeit zu Festanstellungen werden die Leiharbeits-Einsatzzeiten für die Höhe tariflicher Sonderleistungen – etwa Weihnachtsgeld – nun anerkannt.

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Generell wird die Leiharbeitsquote – der Anteil von Leiharbeitskräften an der gesamten Belegschaft – von der bislang tariflich geregelten Höchstgrenze von 13 Prozent in den deutschen Werken von Airbus bis zum Jahr 2028 auf zehn Prozent abgesenkt. Das betrifft neben dem zivilen Flugzeugbau auch die Werke von Airbus Defence and Space und Airbus Helicopters.

Tatsächlich allerdings liege die Leiharbeitsquote in den deutschen Airbus-Werken des zivilen Flugzeugbaus derzeit bei acht Prozent, sagte Marko Wagner, so zum Beispiel auch im größten deutschen Airbus-Werk in Hamburg-Finkenwerder. Dort arbeiten, nach einem massiven Stellenaufbau seit dem Ende der Pandemie, inzwischen 18.000 fest angestellte Männer und Frauen. Hinzu kommen die Leiharbeitskräfte, deren exakte Zahl der Konzern nicht beziffert. Airbus ist mit Abstand der größte industrielle Arbeitgeber in Hamburg. Insgesamt beschäftigt Airbus in Deutschland im zivilen und militärischen Flugzeug-, Hubschrauber- und Raketenbau derzeit rund 46.850 fest angestellte Menschen.

Der europäische Flugzeugkonzern Airbus hat für bessere Beschäftigungsbedingungen mehrere handfeste Gründe: Die Auftragsbücher sind mit mehr als 8000 Orders aller Modelle prall gefüllt. Wichtigste Produktgruppe mit mehr als 7000 Bestellungen sind die verschiedenen Varianten der A320-Familie – vom kleinsten Modell A319 bis hin zur für das dritte Quartal geplanten Neueinführung des Langstreckenflugzeugs A321XLR. Die monatliche Produktion – die sogenannte Rate – für die A320-Familie soll bis 2026 von derzeit rund 60 auf 75 Maschinen gesteigert werden, die meisten dieser Maschinen werden in Hamburg gefertigt. „Die neuen Vereinbarungen geben uns Planungssicherheit“, sagte Airbus-Personalmanagerin Daniela Haller. „Wir wollen den Ratenhochlauf schaffen.“

Zugleich hat Airbus die massiven Qualitätsprobleme seines Hauptkonkurrenten Boeing in den USA als mahnendes Beispiel vor Augen. Erst kürzlich wieder war beim Flug eines Boeing-Jets ein Rumpfteil herausgerissen worden. Mitunter führen diese Mängel zur Stilllegung vieler Maschinen einzelner Baureihen wie zuletzt von Jets des Typs Boeing 737 Max durch die zuständigen Luftfahrtbehörden. Grund für diese – auch für das Image von Boeing desaströsen – Vorfälle sind Qualitätsmängel in der Lieferkette wie auch in der eigenen Fertigung.

Das will Airbus unbedingt vermeiden – unter anderem auch durch gezielte, intensive Ausbildung. Im zivilen Flugzeugbau in Deutschland bleibe die Ausbildungsquote bei „mindestens fünf Prozent“ der Belegschaften, alle Standorte bildeten aus. Auszubildende und Dual-Studierende würden grundsätzlich unbefristet übernommen, teilten die Tarifpartner mit.

Die Probleme bei Boeing zeigten, „dass wir an einem sehr volatilen und herausfordernden Markt arbeiten“, sagte Airbus-Manager Marco Wagner. „Dass es unserem Wettbewerber schlecht geht, ist für uns keinesfalls eine Botschaft der Freude.“

Holger Junge, der Konzernbetriebsratsvorsitzende von Airbus, ergänzte: „Ich spüre bei keinem unserer Airbus-Mitarbeiter Häme gegenüber Boeing. Wir wollen die besten Produkte herstellen – und auch die Arbeitsbedingungen in Deutschland dafür immer weiter verbessern. Mit dieser Vereinbarung sind wir gut gewappnet für den Hochlauf der Produktion.“

Airbus und die IG Metall erwarten, dass in Deutschland auch in diesem Jahr weiterhin neue Mitarbeiter eingestellt werden, allerdings weniger als 2023. Im zivilen Flugzeugbau würden 2024 voraussichtlich wieder 500 bis 550 Auszubildende neu bei Airbus starten, sagte Bezirksleiter Daniel Friedrich. Der starke Personalaufbau der jüngeren Zeit hängt auch damit zusammen, dass Airbus während der Pandemie die Flugzeugproduktion deutlich gedrosselt und auch in Deutschland seine Belegschaften um einige Tausend fest angestellte Mitarbeiter und Leiharbeiter verkleinert hatte. Einher ging dies mit der Einführung neuer Unternehmensstrukturen im zivilen Flugzeugbau von Airbus in Deutschland und in Frankreich.