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Hamburg Wärmespeicher

Ein Bassin voller Energie

Wirtschaftsreporter
(v.l.): Peter Bielenberg, Malte Mellech und Georg Zinßer auf dem Erdbeckenspeicher in Meldorf (v.l.): Peter Bielenberg, Malte Mellech und Georg Zinßer auf dem Erdbeckenspeicher in Meldorf
(v.l.): Peter Bielenberg, Malte Mellech und Georg Zinßer auf dem Erdbeckenspeicher in Meldorf
Quelle: Olaf Preuß
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Im schleswig-holsteinischen Meldorf geht Deutschlands erster Erdbeckenspeicher in Betrieb. Unter anderem industrielle Abwärme wird dort für das Nahwärmenetz verfügbar gemacht. Weitere ähnliche Projekte sollen folgen.

Von vorn sieht das Bauwerk aus wie eine große Warft, jene für küstennahe Bauernhöfe typischen, erhöhten Fundamente, mit denen Häuser vor Sturmfluten geschützt werden. Doch der Neubau in Meldorf bei Heide in Schleswig-Holstein schützt nicht vor dem Wasser, er schützt das Wasser selbst. Es ist Deutschlands erster sogenannter Erdbeckenspeicher. Er fasst 43.000 Kubikmeter bis zu 90 Grad heißes Wasser, mit dem das ebenfalls neue örtliche Nahwärmenetz gespeist wird. Auf dem Becken liegt eine 40 Zentimeter dicke Isolier- und Abdeckschicht. Über das Jahr gesehen hält sie mehr als 70 Prozent der benötigten Heizenergie.

„Wir sind mit diesem Projekt ganz vorn dabei“, sagt Peter Bielenberg, Geschäftsführer der örtlichen Genossenschaft WIMeg, die den Energiespeicher und das Wärmenetz seit 2019 realisiert hat. „Weltweit gibt es vermutlich nicht mal 15 solche Projekte. Wir bauen eine komplett neue Infrastruktur auf.“

dpatopbilder - 15.04.2024, Schleswig-Holstein, Meldorf: Blick auf den den ersten Erdbeckenspeicher in Deutschland (Aufnahme mit einer Drohne). Nach dem Vorbild Dänemarks sollen künftig in Meldorf öffentliche Gebäude und Haushalte mit Fernwärme und der gespeicherten Industrie-Abwärme sowie Solarenergie geheizt und versorgt werden. Foto: Marcus Brandt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Blick auf den ersten Erdbeckenspeicher in Deutschland (Aufnahme mit einer Drohne)
Quelle: dpa

Seit mehr als 30 Jahren errichtet Deutschland mit hohen Subventionen – den Einspeisevergütungen – Windturbinen und Solaranlagen in großer Zahl. Im Ergebnis lässt sich etwa die Hälfte des deutschen Strombedarfs mittlerweile aus regenerativen Quellen decken. Doch der Strommarkt ist nur der kleinste der drei wichtigen Energiemärkte – die Energiebedarfe für die Mobilität und vor allem für die Gebäude- und die Industriewärme sind noch wesentlich größer. Und an allen drei Teilmärkten wurde das Thema der Energiespeicher seit Jahrzehnten fast völlig vernachlässigt. Speicher aber werden gebraucht, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind zu wenig Energie liefert. Obendrein können Speicher Energie nutzbar machen, die sonst sinnlos verloren geht, zum Beispiel industrielle Abwärme – vor allem für die Versorgung mit Gebäudewärme ist das eine kostbare Quelle.

In Dänemark werden mittlerweile eine ganze Reihe solcher Pit Thermal Energy Strorage (PTES) genannten Erdbeckenspeicher zur Unterstützung kommunaler Wärmenetz betrieben. „Die Erfahrungen daraus lassen sich auch für den deutschen Markt nutzen, wenngleich jedes Projekt individuell geplant und an die örtlichen Verhältnisse angepasst wird“, sagt Georg Zinßer, zuständig für die Kunden und die Vermarktung bei den deutschen Geschäften von Rambøll in Hamburg. Rambøll ist ein dänischer, weltweit tätiger Ingenieur- und Beratungskonzern mit 18.000 Mitarbeitern, davon etwa 1100 in Deutschland, 350 von ihnen in Hamburg. Das Unternehmen entwirft klassische Großprojekte der Verkehrs-Infrastruktur wie etwa den Fehmarnbelttunnel, ist aber in vielen Ländern auch bei der Neugestaltung der Energiemärkte aktiv.

Eine Mischung aus Idealismus, Pragmatismus und öffentlicher Förderung ist der Treiber für das Projekt in Meldorf. Etwa 100 Meter Durchmesser hat der elf Meter tiefe Erdbeckenspeicher, er umfasst eine Fläche von 18.000 Quadratmetern inmitten von Windparks und Weideland. Der Erdbeckenspeicher und das etwa sieben Kilometer lange Wärmenetz kosten insgesamt zwölf Millionen Euro. 3,6 Millionen Euro davon bezahlt der Bund im Rahmen der nationalen Klimaschutz-Initiative.

Schon vor mehr als 20 Jahren koppelten die Meldorfer Abwärme aus der Druckerei im Ort aus und beheizten damit das Schwimmbad. Doch allein auf den langfristigen Fortbestand der Druckerei will man sich in der Kleinstadt in Dithmarschen mit Blick auf eine klimaneutrale Wärmeversorgung nicht verlassen. Der neue Erdbeckenspeicher ist das Herzstück für eine Art Kombikraftwerk. Neben der Abwärme aus der Druckerei wird das Wasser im Becken auch mit einem Blockheizkraftwerk und einem Gaskessel auf der Basis von Biogas beheizt. Eine Fläche für den Aufbau einer Solarthermieanlage ist bereits vorbereitet. Später sollen auch Wärmepumpen und stromgespeiste Erhitzer – sogenannte Power-to-heat-Anlagen – an das Becken angeschlossen werden.

Zu Beginn kostet eine Kilowattstunde Nahwärme aus dem Speicher in Meldorf rund 30 Cent – das ist weit entfernt von marktfähigen Preisen. In Hamburg etwa lag der Fernwärmepreis vor der durch den Ukrainekrieg verursachten Energiekrise bei unter zehn Cent je Kilowattstunde. „Wir schließen zunächst öffentliche Gebäude an das neue Netz an“, sagt WIMeg-Geschäftsführer Bielenberg, „das Schwimmbad, Schulen, Turnhallen, das Landesmuseum, das sind unsere sogenannten Ankerkunden. Über die Jahre verbessern wir das System, senken die Kosten und versuchen, private Kunden hinzuzugewinnen, speziell aus dem Gebäudebestand. Für die hochgradig energieeffizienten Neubauten der heutigen Zeit braucht man so ein Netz wie dieses hier nicht.“ Man hoffe, sagt Bielenberg, in zehn Jahren „eine schwarze Null“ zu schreiben. Bis dahin werde man durch die Kommunalfinanzierung unterstützt.

Aus Sicht von Rambøll besteht ein großer Vorteil von Erdbeckenspeichern darin, dass man sie in vielen Größen dezentral errichten kann. An diesem Tag etwa informiert sich in Meldorf eine Delegation aus Nordrhein-Westfalen über das Potenzial solcher Anlagen für den Aufbau einer regenerativen Energiewirtschaft im größten deutschen Bundesland. „Der Vorteil dieser Speicher ist, dass man sie sehr hoch skalieren kann, ohne Weiteres auf 400.000 bis 500.000 Kubikmeter“, sagt Rambøll-Projektmanager Stefan Maretzki: „Bei den Projekten in Deutschland haben wir all die wertvollen Erkenntnisse mit einfließen lassen, die wir aus der Umsetzung mehrerer Erdbeckenspeicher in Dänemark bislang schon gewinnen konnten.“

Im hessischen Bracht bei Marburg etwa entwickelt Rambøll derzeit einen weiteren Erdbeckenspeicher für 27.000 Kubikmeter Warmwasser, der anfangs vor allem aus einer Solarthermieanlage gespeist werden wird und der Nahwärme für 180 Haushalte liefern soll. „Wir achten darauf, dass wir bei den Projekten jeweils eine hohe regionale Wertschöpfung haben“, sagt Rambøll-Koordinator Malte Mellech. „Das lässt sich bei einem Bauwerk wie einem Erdbeckenspeicher leichter realisieren als zum Beispiel bei einem Oberflächenspeicher mit einem großen Edelstahltank.“ In Bracht kann die Kilowattstunde Wärme voraussichtlich für 15 Cent vermarktet werden, auch dort ist der Bauträger eine lokale Genossenschaft. Nach nur einem Dreivierteljahr Bauzeit ist das Projekt bereits zur Hälfte fertig errichtet – für deutsche Verhältnisse praktisch in Rekordtempo.

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