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Der neue Öko-Diesel kommt – und verdrängt alte Benzin-Sorten

Korrespondent
Neuer Bio-Dieselkraftstoff kommt an deutsche Tankstellen

An deutsche Tankstellen wird bald ein neuer Diesel-Kraftstoff erhältlich sein. HVO 100, so der Name, soll für alle Dieselmotoren geeignet sein und fossilfrei hergestellt werden. Allerdings wird er wohl auch teurer sein als bisheriger Biodiesel.

Quelle: WELT TV

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Deutschlands Tankstellen planen schon im April einen neuen synthetisch hergestellten Dieselkraftstoff einzuführen. Der Preis dafür wird wohl oberhalb des bisherigen Diesels liegen. Um dafür Platz zu schaffen, werden alte Spritsorten von den Zapfsäulen verschwinden.

Worum geht es

An den meisten der 14.442 Tankstellen in Deutschland stehen diese Angebote an den Preismasten: die Benzinsorten E5, E10 sowie Super Plus und Dieselkraftstoff. Bei Anbietern wie Aral oder Shell kommen noch im Vergleich teure Premiummarken hinzu.

Das wird sich nun ändern. Denn schon im April wollen einige Tankstellenketten, vornehmlich aus dem Mittelstand, eine neue Dieselsorte einführen, das sogenannte HVO 100. Das ist ein synthetisch hergestellter Kraftstoff für Verbrennermotoren auf Basis von Rohstoffen wie Pflanzenöl oder tierischen Fetten.

Das Kürzel bedeutet Hydrotreated Vegetable Oils (mit Wasserstoff behandelte Pflanzenöle). Der Kraftstoff senkt nach Angaben der Tankstellenverbände den CO₂-Ausstoß um bis zu 90 Prozent.

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Synthetischer Kraftstoff

Die wichtigste Studie der Tankstellenbranche, der Report Tanken und Laden des Energie Informationsdienstes (EID), greift die Einführung dieser Neuheit erstmals umfassend auf. „Noch in diesem Frühjahr sollen synthetische Reinkraftstoffe wie biogener HVO-Diesel an Tankstellen in Deutschland vertrieben werden“, heißt es in dem Papier, das WELT vorliegt. In vielen anderen Staaten Europas könnten Autofahrer den Kraftstoff schon tanken und damit die CO₂-Emissionen senken, heißt es weiter.

Verbände bestätigen auf Anfrage diese Information. „Mehrere mittelständische Tankstellenunternehmen bereiten ein Angebot für den Dieselkraftstoff HVO vor“, sagt Duraid El Obeid, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands freier Tankstellen und Geschäftsführer BMV Mineralöl Handel. Er erwarte eine Freigabe durch die Politik etwa Mitte April.

„Wir werden in Kürze an ausgewählten Standorten HVO als Klima Diesel 90 anbieten“, zitiert der EID-Report Sandra Schütte. Die Managerin verantwortet bei dem Mittelständler Westfalen den Bereich Mobility. Auch ein Markenanbieter spricht bereits über seine Pläne. „Wir prüfen, synthetische Kraftstoffe auf Biobasis wie hydrierte Pflanzenöle an die Zapfsäule zu bringen und haben ganz konkret etwas für dieses Jahr in der Pipeline“, sagt Tim Paulsen, Vertriebsmanager bei Esso in Deutschland. Esso ist eine Marke von ExxonMobil und hierzulande die Nummer vier im Tankstellengeschäft.

Alternativen zum Kraftstoff aus Rohöl

Lange Zeit waren Alternativen zum Kraftstoff aus Rohöl eher ein Geisterthema, es gab viel Diskussion, aber wenig Konkretes, schon gar nicht für Autofahrer an der Tankstelle. Überschattet wird das Thema vom Wirbel um Deutschlands Sonderweg im Rahmen der Europäischen Union und ihrer Gesetze zum Ende der Verbrennermotoren in Straßenfahrzeugen. Ob die neuen Sorten, E-Fuels oder synthetischer Diesel genannt, eine sinnvolle Zwischenlösung hin zu einem klimaneutralen Antrieb sind, oder eine Vergeudung von Ressourcen – darauf gibt es kurzfristig keine überzeugende Antwort.

Nun könnten Erfahrungen aus dem Alltag Erkenntnisse bringen, sei es zu technischen oder auch zu wirtschaftlichen Fragen. Dieselkraftstoff ist für den Mittelstand eine wichtige Säule des Geschäfts und macht dort rund die Hälfte des Absatzes aus. Bei den Markentankstellen ist es noch etwas mehr.

Und mittelständische Tankstellen haben in Deutschland eine ganz andere Bedeutung als in anderen Ländern Europas. Mit einem Anteil von rund der Hälfte aller Stationen kommen sie auf einen hohen Marktanteil und beleben dadurch den Wettbewerb.

Quelle: Infografik WELT
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Eine wichtige Frage für Autofahrer wird sein, welches Angebot an den Tankstellen wegfallen wird. Denn auf vielen Stationen fehlt schlichtweg die Lagerkapazität für weitere Kraftstoffsorten. Möglich ist, dass einige Tankstellenbetreiber ihr Super-Plus-Angebot streichen und dadurch Platz in den Tankanlagen für die Dieselsorte HVO 100 schaffen. „Die Tankstellen werden aus Gründen der Logistik auf eine andere Sorte an den Zapfsäulen verzichten müssen“, sagt Verbandschef El Obeid.

Ebenso denkbar ist, dass einige Betreiber Superbenzin E5 aus dem Angebot nehmen und ausschließlich Superbenzin E10 beibehalten. Allerdings liegt der Verkauf der Sorte E5 nach wie vor hoch, auch wenn nur wenige Fahrzeuge darauf angewiesen sind.

Das wirtschaftliche Interesse der Tankstellenbetreiber ist deswegen groß. Diejenigen Fahrzeugeigentümer, deren Wagen wegen des hohen Alters kein Superbenzin E10 tanken kann, würden Probleme bekommen. „Sie können dann nicht mehr davon ausgehen, dass sie ihre Kraftstoffsorte an jeder Tankstelle zu jeder Zeit zur Verfügung haben werden“, schreibt der EID im Report. Und schließlich könnte auf einigen Stationen auch die herkömmliche Dieselsorte durch den neuen synthetischen Kraftstoff ersetzt werden.

Höhere Preise für HVO-Diesel

Ebenso gibt es zu den Preisen noch keine konkreten Angaben. „Der Literpreis für das HVO-Angebot wird oberhalb des bisherigen Dieselkraftstoffes liegen, er wird aber nicht abschreckend ausfallen“, sagt El Obeid. Branchenkenner rechnen mit einem Aufschlag von bis zu 20 Cent.

Nach der Einschätzung des Verbandes dürfte der Absatz zu 80 Prozent an gewerbliche Kunden und 20 Prozent Privatkunden gehen. Bei Firmenkunden könnte sich der Aufpreis dennoch rechnen. Schließlich könnten sie ihre Fahrzeuge durch Diesel HVO 100 mit einem niedrigeren CO₂-Ausstoß fahren lassen und dadurch gesetzliche Auflagen für den Flottenbetrieb mit weniger Aufwand als bislang erfüllen.

Viele Tankstellenbetreiber jedenfalls dürften anfangs mit Fragen der Kunden zum Alltagseinsatz des neuen Dieselkraftstoffes beschäftigt sein. So sollen die Verbrauchswerte trotz einer etwas geringeren Energiedichte ähnlich ausfallen wie beim fossilen Diesel.

Quelle: Infografik WELT

Auch gilt es zu beantworten, welche Motoren den Kraftstoff ohne Einschränkung vertragen. Etliche Dieselmotoren der großen Automarken werden bereits als dafür geeignet angegeben, teils sind dies die jüngeren Motorengenerationen.

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Zunächst muss der Bundesrat noch als letzte Instanz eine Verordnung verabschieden, um biogenen HVO-Diesel sowie grünstrombasierten E-Diesel als Reinkraftstoff zum Vertrieb zuzulassen. Möglich wäre dies bei einer Sitzung Ende März. Zudem müsste zuvor die sogenannte Bestandsschutzsortenregelung angepasst werden, nach der bestimmte Benzinsorten nicht ohne Weiteres wegfallen können.

In den Niederlanden gibt es ein HVO-Angebot bereits seit Jahren. In Deutschland hat eine Initiative mehrerer Mittelständler unter Führung der Lühmann Gruppe mit der Marke Classic Oil den Kraftstoff unter dem Namen Klima Diesel 90 schon an 30 Tankstellen eingeführt. Allerdings geschieht dies in einem geschlossenen Kundenkreis einiger Speditionen und im Rahmen eines Pilotversuches. Anders ist der Kraftstoff bisher nicht zugelassen.

Lohnendes Tankstellengeschäft

Nach wie vor ist das Tankstellengeschäft in Deutschland für die Unternehmen lohnend. So stieg laut EID-Angaben der Benzinverkauf im vergangenen Jahr von Januar bis November um fast drei Prozent, der Absatz von Dieselsorten verringerte sich um ebenfalls drei Prozent.

Je verkauftem Liter Eurosuperbenzin verdienten die Tankstellenbetreiber eine Marge von 19,42 Cent, beim Dieselkraftstoff waren dies 19,91 Cent. Im Jahresvergleich bedeutet dies einen Rückgang der Marge um einen Cent beim Benzin und eine Gewinnsteigerung um ebenfalls einen Cent beim Diesel.

Quelle: Infografik WELT

Im europäischen Vergleich liegt Deutschland damit eher am unteren Ende. Tankstellen in Dänemark, Frankreich, Portugal, Norwegen, in der Schweiz oder in den Niederlanden erreichen deutlich höhere Gewinnmargen.

Der EID nutzt für diese Angaben Daten des britischen Beratungshauses Wood Mackenzie. Mit der Bruttomarge bezeichnen die Analysten von Wood Mackenzie den Gewinn je Liter Benzin und Diesel, der den Tankstellenunternehmen nach Abzug des Produktpreises im Ölgroßhandel sowie der Abgaben an den Staat verbleibt. Von dieser Marge wiederum gehen Betriebskosten der Tankstelle sowie Kosten für Transport, Lagerung, Vertrieb und Marketing sowie die Pächterprovision ab.

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