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Flughafen Hamburg

„Bei den Sicherheitskontrollen unterstützen wir die nötigen Verbesserungen“

Autorenprofilbild von Olaf Preuß
Von Olaf PreußWirtschaftsreporter
Veröffentlicht am 17.03.2024Lesedauer: 7 Minuten
Christian Kunsch, Vorsitzender der Geschäftsführung von Hamburg Airport, im Terminal 2 des Flughafens
Christian Kunsch, Vorsitzender der Geschäftsführung von Hamburg Airport, im Terminal 2 des FlughafensQuelle: Bertold Fabricius

Christian Kunsch, neuer Chef des Hamburg Airport, sieht den Flughafen der Hansestadt für die Feriensaison gut aufgestellt. Auch an den Sicherheitsschleusen soll es dank modernster Technik nun wieder schneller vorangehen – aber gerade dort fehlt noch Personal.

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Langes Warten an der Sicherheitskontrolle, kein Gepäck nach der Ankunft – seit der Pandemie hatte der Hamburg Airport einige logistische Probleme. Die aber seien fast alle überwunden, verspricht der neue Flughafenchef Christian Kunsch zum Start der Märzferien.

WELT AM SONNTAG: Herr Kunsch, nicht nur der Bahnverkehr, auch der Hamburg Airport wird derzeit von Streiks beeinträchtigt oder gar lahmgelegt. Wie sehr nerven die vielen Arbeitsniederlegungen Sie persönlich?

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Christian Kunsch: Streiks gehören zu Arbeitskämpfen dazu. Aber die Anzahl der Streiks in unserer Branche, die sich gerade von den Auswirkungen der Pandemie erholt, ist zu hoch. Das hat viele negative Auswirkungen auf Geschäftsreisende und Menschen, die in ihrer Freizeit und in den Urlaub fliegen. Ich wünsche mir, dass Tarifparteien Lösungen am Verhandlungstisch finden und dass keine Extrempositionen aufgebaut werden, die dann auch noch durch lang anhaltende Streiks untermauert werden müssen.

WELT AM SONNTAG: Am Montag beginnen die Hamburger Frühjahrsferien. Wird der Flughafen diesmal einigermaßen reibungslos durch diese zwei hochfrequentierten Wochen kommen?

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Kunsch: Wir wachsen beim Passagieraufkommen dieses Jahr um etwa fünf Prozent, 2023 waren es etwa 20 Prozent. Unser Geschäft normalisiert sich nach der Pandemie auf einem höheren Niveau allmählich. Das macht es unter anderem einfacher, die Ressourcen für die verschiedenen Funktionen bei uns am Flughafen einzuplanen. Wir stehen bei allen Gewerken dieses Jahr deutlich besser da als im vergangenen Jahr, fast alle stehen im „grünen Bereich“. Bei den Sicherheitskontrollen der Passagiere würde ich sagen „gelber Bereich“, dort ist noch Potenzial für Verbesserungen. FraSec, der Dienstleister der Bundespolizei, hat mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als im vergangenen Jahr, viele neu eingestellte Kräfte werden derzeit geschult. Es wird hoffentlich besser laufen als im vergangenen Jahr. Die aus unserer Sicht optimale Präsenz an den Sicherheitsschleusen wird FraSec aber auch dieses Jahr noch nicht ganz erreichen – trotz der starken Bemühungen, die wir eindeutig sehen.

WELT AM SONNTAG: Die Engpässe, die die Passagiere seit der Pandemie wahrnehmen, sind also noch nicht überwunden.

Kunsch: FraSec sucht intensiv auf dem Hamburger Arbeitsmarkt und schult viele Mitarbeiter, aber einige bestehen die Prüfung nicht. Die Bundespolizei, die letztlich für die Sicherheitskontrollen am Flughafen zuständig ist, kontrolliert das Verfahren. Der Personalaufbau kostet Zeit, so etwas geht nicht über Nacht.

WELT AM SONNTAG: Viele Mitarbeiter haben die Luftfahrtbranche verlassen, weil ihnen die Perspektiven dieses Wirtschaftszweiges zu unsicher erschienen.

Kunsch: Als Unternehmen mit der Stadt Hamburg als öffentlichem Mehrheitseigner haben wir aufgestocktes Kurzarbeitsgeld und andere Überbrückungsleistungen gezahlt, um möglichst viele unserer qualifizierten Mitarbeiter bei uns zu halten. Rein privatwirtschaftliche Unternehmen konnten das nicht im selben Umfang leisten. Deshalb gibt es bei bestimmten Dienstleistern immer noch personelle Engpässe, natürlich auch vor dem Hintergrund eines allgemein wachsenden Fachkräftemangels.

WELT AM SONNTAG: Was können Technik und Automatisierung in dieser Lage leisten?

Kunsch: Wir haben von Mai an sechs der weltweit modernsten CT-Scanner im Einsatz. Bei diesen Anlagen müssen die Passagiere ihr Handgepäck nicht mehr auspacken, weder Flüssigkeiten noch elektronische Geräte. Das spart an den Sicherheitskontrollen immens viel Zeit ein. Außerdem sinkt der Personalbedarf an jeder Spur um einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir wollen auch die anderen zwölf Spuren unserer Sicherheitskontrolle so schnell wie möglich mit solchen CT-Scannern ausstatten und können uns vorstellen, dem Bund anzubieten, dass wir als Flughafen diese Geräte vorfinanzieren. Jeder dieser Scanner kostet etwa 500.000 Euro.

WELT AM SONNTAG: Zu einem anderen Staubereich: Nutzen die Passagiere die Automaten für die Gepäckaufgabe?

Kunsch: Die Automaten für das Check-in und für die Kofferaufgabe werden sehr gut angenommen. Etwa 70 Prozent aller Passagiere können mittlerweile selbst einchecken und ihr Gepäck aufgeben.

WELT AM SONNTAG: Wo steht der Hamburg Airport derzeit bei der Qualität der Gepäckabfertigung? Die Langwierigkeit speziell bei der Ausgabe hat viele Passagiere in den vergangenen Jahren verärgert.

Kunsch: Wir hatten in Hamburg in den vergangenen Jahren immer genug Personal bei der Gepäckabfertigung. Es gab – als eine Folge der Pandemie – das Problem des sogenannten „Rush“-Gepäcks. Der Passagier, die Passagierin kommt mit der Maschine von einem Drehkreuz wie London Heathrow oder Paris Charles de Gaulle hier an, sein oder ihr Gepäck aber nicht. Das hat zu großen Gepäckstaus geführt. Wir haben aber schon 2023 mehr Flächen und Technik zur Verfügung gestellt, um dieses Gepäck zu bearbeiten, und die Fluglinien haben mehr Mitarbeiter eingestellt, um das Gepäck auszufahren. Ich würde sagen, wir haben dieses Problem überwunden. An den internationalen Drehkreuzen könnte die Gepäckabfertigung natürlich trotzdem noch besser funktionieren.

WELT AM SONNTAG: Was erwarten Sie für den Betrieb des Flughafens in der Sommersaison, der wahren Bewährungsprobe?

Kunsch: Beim Check-in und in der Gepäckabfertigung sind wir gut aufgestellt, bei den Sicherheitskontrollen unterstützen wir die nötigen Verbesserungen. Bei den derzeit laufenden Prüfungen müssen noch zahlreiche neue Kräfte herauskommen. Das ist wichtig auch für die Sommersaison, und dafür bin ich zuversichtlich.

WELT AM SONNTAG: Die Wirtschaft wünscht sich mehr interkontinentale Direktflüge von Hamburg aus vor allem in die USA. Wie sind die Perspektiven dafür?

Kunsch: Ich gehe davon aus, dass sich mit der Markteinführung der Airbus A321XLR mit bis zu 8700 Kilometern Reichweite – voraussichtlich in diesem Jahr – die Perspektiven auch für Hamburg in den nächsten Jahren deutlich verbessern werden. Mit diesem neuen, kleineren Langstreckenflugzeug können die Fluglinien auch weniger Passagiere profitabel nach Amerika oder zu Zielen in Asien bringen. Für Hamburg ist zum Beispiel New York sehr interessant.

WELT AM SONNTAG: Wie viele Passagiere erwarten Sie für dieses Jahr?

Kunsch: Etwa 14,5 Millionen. 2019, im Jahr vor dem Beginn der Pandemie, waren es mehr als 17 Millionen. Es wird noch viele Jahre dauern, bis wir dieses Niveau wieder erreicht haben. Zum Beispiel auch deshalb, weil innerhalb Deutschlands heutzutage wesentlich weniger geflogen wird als früher.

WELT AM SONNTAG: Ist das ausschließlich schlecht, oder verschafft Ihnen das geringere Passagieraufkommen nicht auch Spielräume für nötige Modernisierungen?

Kunsch: Unter dem Strich ist das wirtschaftlich schlecht, weil wir hohe Investitionen tätigen müssen, uns dabei aber die Einnahmen von etwa zweieinhalb bis drei Millionen Passagieren weniger zur Verfügung stehen als vor der Pandemie. Unsere Kosten haben wir in den vergangenen Jahren deutlich gesenkt. Für die Weiterentwicklung der Infrastruktur sind vor allem aber auch die Spitzenauslastungen des Flughafens wichtig.

WELT AM SONNTAG: Haben die sich in den vergangenen Jahren verändert?

Kunsch: Das Spitzenaufkommen an Passagieren liegt heutzutage teils deutlich über dem in der Zeit vor der Pandemie, weil die Fluglinien immer größere Maschinen einsetzen und weil deren Auslastungen höher sind. Darauf müssen wir uns einstellen. Wegen der geringeren Gesamtzahl an Passagieren planen wir allerdings anders als früher. Vor der Pandemie haben wir den Neubau eines Gebäudes für die Gepäckabfertigung geplant, das hätte 200 bis 300 Millionen Euro gekostet. Nun überarbeiten wir die Gepäckabfertigung im Bestand, das kostet 70 bis 80 Millionen Euro. Heutzutage gehen wir mehr kleinere und einzelne Schritte bei der Modernisierung unserer Anlagen, von den Sanitäranlagen über die Gepäckanlage bis zum Vorfeld und den Gates. Schon während der Pandemie konnten wir – dank unserer Gesellschafter – erhebliche Teile unserer Infrastruktur erneuern, von den Rolltreppen über die Drehtüren bis hin zu den Rauchvorhängen. Wir können aber nicht alles innerhalb eines Jahres umsetzen.

WELT AM SONNTAG: In einer Hinsicht hat sich der Flughafenbetrieb längst wieder normalisiert, nämlich beim Ärger von Anwohnern über späte Flüge. Es gibt jetzt schon Beschwerden darüber, dass während der Fußball-Europameisterschaft im Juni und Juli nach den Spielen in Hamburg Maschinen nachts mit Fans auf dem Rückweg starten könnten.

Kunsch: Wir werden fünf EM-Spiele in Hamburg haben, davon drei am Nachmittag und zwei um 21 Uhr. Ich bin sicher, dass die Politik da eine vernünftige Lösung finden wird, damit Hamburg ein guter Gastgeber für die EM sein kann. Viele Fans werden sicherlich mit der Bahn nach Hamburg kommen und zurückreisen.

Seit Beginn dieses Jahres ist der Ökonom Christian Kunsch (50) Chef des Flughafenbetreibers Hamburg Airport, bereits seit 2019 gehörte er dessen Geschäftsführung an. Die Anteile an Hamburg Airport liegen zu 51 Prozent bei der Stadt Hamburg und zu 49 Prozent beim Unternehmen AviAlliance.