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Wasserstoff für Deutschland

Habeck setzt auf den „wahren Freund in einer unfreundlichen Welt“

Autorenprofilbild von Olaf Preuß
Von Olaf PreußWirtschaftsreporter
Veröffentlicht am 20.03.2024Lesedauer: 6 Minuten

Im Rahmen einer deutsch-kanadischen Wasserstoff-Partnerschaft trifft Wirtschaftsminister Habeck mit einer Delegation aus dem nordamerikanischen Partnerland zusammen. Bei einem Besuch des Kupferherstellers Aurubis steht zudem die industrielle Nutzung von Wasserstoff in der Produktion im Mittelpunkt.

In Hamburg will Wirtschaftsminister Robert Habeck ein neues, transatlantisches Energie-Bündnis voranbringen. Es soll der deutschen Industrie bei der wachsenden Nachfrage nach Wasserstoff helfen. Doch es bleiben viele Fragen offen.

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Zumindest unsichtbar ist an diesem Morgen in der Handelskammer Hamburg auch Wladimir Putin mit dabei, Russlands gerade erneut im Amt deklamierter Diktator. Spontaner Applaus der etwa 200 Zuhörerinnen und Zuhörer im Saal, als Robert Habeck (Grüne) die deutsch-kanadische Freundschaft rühmt: „Ich sehe Kanada als einen wahren Freund in einer unfreundlichen Welt, als eine starke Säule der Demokratie.“

Es geht um Energie bei dieser deutsch-kanadischen Konferenz in der Hansestadt. Und Kanadas langjährige Zuverlässigkeit bei der Lieferung von bislang vor allem Kohle und Erdöl ist es auch, die Bundeswirtschaftsminister Habeck in seinem Grußwort besonders hervorhebt. Nach Russlands Überfall auf die Ukraine kappten die Russen bald auch den Export von Pipelinegas nach Westeuropa. Habeck organisierte 2022 federführend den Aufbau von Terminals für den Import von tief gekühltem, verflüssigtem Erdgas (LNG) und vermied so eine schwere Energiekrise in Deutschland. Kanadas Zusage, Deutschland künftig LNG zu liefern – wenn auch noch ohne konkrete Mengenangaben und genaues Datum – half dabei, den Markt zu beruhigen.

Konkreter wird nun dagegen die neue „Energie-Achse“ für regenerativ erzeugten Wasserstoff und für „grünes“ Ammoniak, die Kanada in Zukunft nach Deutschland liefern soll, erzeugt mit Strom aus noch zu bauenden Windparks an der kanadischen Ostküste. Ammoniak besteht aus Wasserstoff und Stickstoff.

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Insgesamt seien bislang sieben deutsch-kanadische Projekte in Planung und Umsetzung, sagte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums der WELT. Geplant seien erste Lieferungen von 2026/2027 an: „Die entsprechenden Regionen in Kanada haben bereits mit entscheidenden vorbereitenden Arbeiten begonnen, als Grundlage für die Windparks. Die Projekte haben einen Umfang zu Beginn von bis zu 400.000 Tonnen Ammoniak pro Jahr für die erste Phase. In weiteren späteren Phasen sollen alle Projekte jenseits von einer Million Tonnen liegen, also bereits im Gigawatt-Bereich.“ Bis 2030 werde „mit rund sieben Millionen Tonnen Ammoniak pro Jahr“ geplant.

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Zunächst geht es darum, regulatorische Rahmenbedingungen zu schaffen und Partnerschaften zwischen Unternehmen zu begründen an einem Markt, der noch gar nicht existiert. Das „Henne-Ei-Problem“ muss gelöst werden, um beides zugleich schnell zu vergrößern, das Angebot und die Nachfrage.

Habeck und Kanadas Energieminister Jonathan Wilkinson wollen dafür später am Tag im Hamburger Rathaus eine Absichtserklärung unterzeichnen. Es gehe darum, sagt Wilkinson vorab der Nachrichtenagentur Bloomberg, möglichst rasch – innerhalb von 90 Tagen – die Grundlagen für ein Auktionssystem zu erarbeiten, um Preise für die Erzeugung und den Kauf von regenerativ erzeugtem Wasserstoff und Ammoniak überhaupt zu ermitteln. Getragen von der deutschen Stiftung H2Global, sollen staatliche Ausgleichszahlungen den Aufbau von Produktionskapazitäten für „grünen“ Wasserstoff und „grünes“ Ammoniak unterstützen. Ziel: Die Schaffung eines möglichst großen Handelsvolumens in den kommenden Jahren. Die ersten Lieferungen von Ammoniak aus Kanada Ende 2025 oder Anfang 2026 seien jedenfalls gesichert, sagt Wilkinson.

(v.l.): Der kanadische Energieminister Jonathan Wilkinson, Aurubis-Chef Roland Harings und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck beim Kupferhersteller Aurubis in Hamburg
Wilkinson (l.), Aurubis-Chef Roland Harings (m.) und HabeckQuelle: AFP

Wirkt dieses gigantische Vorhaben wie eine riskante Wette

Deutschlands Umstieg auf erneuerbare Energien bei vollem industriellen Betrieb soll den Ausstoß von Treibhausgasen schnell weiter senken. Vor dem Hintergrund vieler Krisen und Kriege auf der Welt wirkt dieses gigantische Vorhaben wie eine riskante Wette. Unternehmen wie die Stahlhersteller Salzgitter und ThyssenKrupp zum Beispiel wollen – auch mithilfe staatlicher Förderung – ihre Stahlproduktion weg vom Einsatz von Kokskohle hin zu Wasserstoff umstellen. Millionen Tonnen an Wasserstoff wird die deutsche Wirtschaft insgesamt künftig brauchen – und bislang gibt es keinen einzigen großen, belastbaren Liefervertrag dafür.

Wind- und vor allem sonnenreiche Regionen der Welt wie etwa Saudi-Arabien, Australien oder nordafrikanische Länder wie Algerien sollen künftig aus Ökostrom große Mengen an „grünem“ Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen erzeugen. Selbst wenn das funktioniert, würde ein großer Teil der deutschen Energieimporte auch künftig weiter aus autoritär regierten Staaten kommen. Auch deshalb ist Habeck die deutsch-kanadische Partnerschaft bei „grünem“ Wasserstoff so wichtig – saubere Energie aus einer stabilen Demokratie.

Am Vormittag besuchen Habeck und Wilkinson den Kupferhersteller Aurubis. Dort wird eine neue Anlage für die Anodenschmelze installiert, die künftig auch mit Wasserstoff betrieben werden kann. Nur wann das sein wird, weiß derzeit niemand. Mehrere Hamburger Grundstoffunternehmen – neben Aurubis auch der Stahlhersteller ArcelorMittal, der im Hafen ein Werk betreibt – testen bereits den Einsatz von Wasserstoff. Sie wollen ihre Emissionen an Treibhausgasen möglichst technologieoffen verringern. Von einer wirtschaftlichen Nutzung ist Wasserstoff, der per Elektrolyse erzeugt werden kann, derzeit aber noch weit entfernt.

„Weit entfernt davon, ein aus finanzieller Sicht attraktives Substitut zu sein“

„Aktuell liegt der Preis von Wasserstoff um den Faktor 5 – bei grünem Wasserstoff sogar noch weit höher – über dem von konventionellem Erdgas, welches wir aktuell für den gleichen Einsatzzweck verwenden“, sagt ein Aurubis-Sprecher der WELT. „Somit ist Wasserstoff selbst unter Berücksichtigung der Kosten für Kohlendioxid-Emissionen beim Erdgaseinsatz weit entfernt davon, ein aus finanzieller Sicht attraktives Substitut zu sein.“ Kämen dann noch die Systemkosten wie Investitionen in Infrastrukturen hinzu – etwa in Wasserstoffpipelines und -speicher –, „zeigt sich aktuell keine Möglichkeit eine Wirtschaftlichkeit darzustellen ohne massive staatliche Subventionen.“

Auch das Hamburger Unternehmen Mabanaft will beim Import von „grünem“ Ammoniak dabeisein und vereinbarte am Montag mit dem US-Unternehmen Pattern Energy, eine Lieferung von „grünem“ Ammoniak zu prüfen. Das Ammoniak könnte in einer neu zu bauenden Anlage am Hafen von Argentina in der kanadischen Ostküsten-Provinz Neufundland und Labrador von 2027 an produziert werden, zunächst 400 Tonnen am Tag. Der Wasserstoff und das Ammoniak sollen mit Strom aus Wind- und Wasserkraft erzeugt werden. Mabanaft erwägt, sich auch selbst an der Produktion zu beteiligen.

Für den Hamburger Hafen wäre das ein weiterer Baustein in Richtung eines „Green Energy Hubs“. Der größte deutsche Seehafen, das ist das Ziel des rot-grünen Hamburger Senats, soll eine internationale Drehscheibe für regenerativ erzeugte Energie und Teil eines künftigen europäischen Netzwerks werden. Ende 2022 hatte Mabanaft bereits eine Absichtserklärung mit dem US-Unternehmen Air Products unterzeichnet, um im Hamburger Hafen ein Importterminal für erneuerbare Energien aufzubauen. „Wir sind fest davon überzeugt, dass Wasserstoff und seine Derivate eine Schlüsselrolle in der Energieversorgung der Industrienationen spielen werden“, sagt Mabanaft-Manager Volker Ebeling.

Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) hatte im vergangenen Jahr mit einer Delegation in Kanada und den USA Kontakte für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft geknüpft. „Mit der geplanten Zusammenarbeit kommt Energie aus kanadischem Wind nach Hamburg“, sagt sie. „Hier wiederum gilt es, eine Versorgungssicherheit für die energieintensiven Industrien herzustellen. Durch eine Kooperation des Hamburger Hafens mit unseren kanadischen Partnern werden wir mithelfen, auf kanadischer Seite die dafür erforderliche Infrastruktur herzustellen.“