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Regionales Hafenwirtschaft

Europas neue Energie-Achse

Wirtschaftsreporter
Luftbild des Duisburg Intermodal Terminals (DIT) in Rheinhausen. Europas größter Binnenhafen will seine enge Vebindungen zum größten Seehafen Rotterdam in einer künftigen energiewirtschaft fortsetzen Luftbild des Duisburg Intermodal Terminals (DIT) in Rheinhausen. Europas größter Binnenhafen will seine enge Vebindungen zum größten Seehafen Rotterdam in einer künftigen energiewirtschaft fortsetzen
Luftbild des Duisburg Intermodal Terminals (DIT) in Rheinhausen. Europas größter Binnenhafen will seine enge Verbindung zum größten Seehafen Rotterdam fortsetzen
Quelle: H. Blossey/blickwinkel/picture alliance
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Die Häfen von Duisburg und Rotterdam arbeiten gemeinsam am Aufbau einer Wasserstoff-Wirtschaft. Aus der Verbindung soll ein neues Kraftzentrum für Europa entstehen. Die Niederländer allerdings sind Deutschland bei der dafür nötigen Infrastruktur um Jahre voraus.

Auf der alten Kohleninsel, im Stadtteil Ruhrort, wird der Hafen von Duisburg wieder einmal fit gemacht für die Zukunft. „Strukturwandel“, die niemals endende Erneuerung, das kennt man hier zur Genüge. Wo früher Steinkohle verschifft wurde, entsteht mit einer Investition von 125 Millionen Euro Duisburgs modernster Umschlagplatz für Container, ein hoch automatisierter Terminal für Land- und Seetransporte.

Ein technologisches Vorbild für Binnenhäfen weltweit soll die Anlage werden. Die Schienenstränge für die Güterzüge liegen schon, die ersten Portalkräne sind auf dem 23,5 Hektar großen Areal bereits installiert. Mithilfe erneuerbarer Energien – von der Fotovoltaik bis hin zu regenerativ erzeugtem Wasserstoff und anderen Energiespeichern – soll sich der Terminal zudem klimaneutral weitgehend selbst mit Energie versorgen. Und nicht nur Industrie- und Handelsgüter werden von diesem Jahr an über den neuen Duisburg Gateway Terminal im- und exportiert – sondern, in Tankcontainern, auch flüssige, regenerativ erzeugte Energieträger wie Ammoniak, Methanol und andere synthetische Kraftstoffe. Dafür wird ein eigener Bereich auf der Anlage errichtet.

Markus Bangen, Vorstandschef der Duisburger Hafen AG
Markus Bangen, Vorstandschef der Duisburger Hafen AG
Quelle: Duisburger Hafen AG

Nicht weit entfernt vom neuen Terminal steht Markus Bangen in seinem Büro in der Zentrale des Hafenbetreibers Duisport, dessen Anteile dem Land Nordrhein-Westfalen und der Stadt Duisburg gehören. Der Chef des Duisburger Hafens, gerade zurückgekehrt von einer Dienstreise nach China, berichtet von vielen Projekten, an denen das Unternehmen derzeit arbeitet. Der Manager mit dem festen Händedruck klingt ebenso zupackend. Der weltweit größte Binnenhafen stellt die Weichen für eine neue Energiewirtschaft, auch gemeinsam mit anderen Unternehmen, wie etwa beim Bau des Duisburg Gateway Terminals: „‚Grünes‘ Ammoniak ist aus unserer Sicht der einzige der künftig regenerativ erzeugten Energieträger, dessen Verfügbarkeit und Verteilung schon jetzt gesichert ist“, sagt Bangen. „Der regelmäßige Import von ‚grünem‘ Ammoniak in dann wachsenden Mengen wird voraussichtlich 2026/27 beginnen.“ In den Zeithorizonten der Energiewirtschaft ist das quasi übermorgen.

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Wie und wann genau aus Deutschlands „Energiewende“ ein in sich tragfähiges System werden wird, ist auch 30 Jahre nach dem Beginn dieses Jahrhundertvorhabens völlig offen. Klar ist heutzutage nur dies: Auch künftig wird das Land einen großen, vielleicht sogar den größten Teil seines Energiebedarfs importieren müssen. Nur werden das künftig eben keine fossilen Energieträger Kohle, Erdöl und Erdgas mehr sein, sondern Wasserstoff, der in wind- und sonnenreichen Regionen der Erde per Elektrolyse mithilfe von Ökostrom erzeugt wird. Weil sich reiner Wasserstoff per Tanker aber nur schlecht über lange Strecken transportieren lässt, bereiten sich große Energieverbraucher auch auf die Einfuhr von Ammoniak und Methanol vor. Die – sehr giftige und explosive Chemikalie – Ammoniak besteht aus Stickstoff und Wasserstoff. Methanol ist ein aus Biomasse erzeugter Industriealkohol, der neben Kohlenstoff ebenfalls viel Wasserstoff enthält. „Bei den großen Mengen der Zukunft wird es primär auf ‚grünes’ Ammoniak hinauslaufen“, sagt Bangen, „auf die Verbindung von regenerativ erzeugtem Wasserstoff mit dem in der Atmosphäre unbegrenzt verfügbaren Stickstoff.“

Stahlwerke im Ruhrgebiet wollen Wasserstoff einsetzen

Nicht nur die Energiewirtschaft selbst, vor allem auch die Häfen werden mit dem Umstieg auf regenerative Energieträger neu erfunden – sie bleiben unverzichtbare Drehscheiben für die Energieversorgung, doch sie brauchen dafür, zumindest zum Teil, eine neue Infrastruktur. Das gilt nicht nur für Europas Seehäfen, sondern auch für das Kraftzentrum Duisburg. „Wir brauchen für eine neue Energiewirtschaft alles: Pipelines, Bahn, Binnenschiff- und Lkw-Transporte von Wasserstoff, Ammoniak, Methanol und anderen synthetisch erzeugten Kraftstoffen“, sagt Bangen. Riesige Mengen Wasserstoff wollen künftig zum Beispiel die Stahlwerke im Ruhrgebiet einsetzen, um die heutzutage gebräuchliche Kokskohle bei der Herstellung des Vorproduktes Eisenschwamm zu ersetzen.

Dieser Wasserstoff soll teils in Europa selbst erzeugt werden und teils durch die Wiederaufspaltung von importiertem „grünem“ Ammoniak in Stickstoff und Wasserstoff. Auf jeden Fall brauchen Deutschland und seine Nachbarländer dafür ein Netz von Wasserstoffpipelines. „Wir unterstützen den Bau der Wasserstoffpipelines, aus denen auch Thyssenkrupp Steel von 2028 an Wasserstoff für seine Direktreduktionsanlagen beziehen will“, sagt Bangen. „Zwar nützt uns eine Pipeline zunächst mal nicht unmittelbar für den Hafenumschlag, aber sie ist zentraler Teil eines Gesamtsystems einer neuen Energiewirtschaft.“ Und der Duisburger Hafen werde darin „eine der zentralen Drehscheiben in Europa sein“.

Eine alte Verbindung allerdings, das steht für Duisburgs Hafenchef fest, wird auch für Deutschlands und Europas neue Energiezukunft entscheidend sein: die enge Kooperation des Duisburger Hafens mit Europas größtem Seehafen Rotterdam, und, in ähnlicher Form, auch mit Europas zweitgrößtem Hafen Antwerpen. Die Verbindungen zwischen Duisburg, Rotterdam und Antwerpen sind heutzutage Europas wichtigste Energieachsen, und das soll so bleiben. Der niederländische König Willem-Alexander, begleitet unter anderem von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), besuchte Mitte November bei einer Informationsreise zu Wasserstoff-Projekten in der Region auch den Hafen von Duisburg. Am Rheinkai Nord löschte an diesem Tag erstmals ein Binnenschiff aus Rotterdam eine Ladung Bio-Ammoniak. „Den umfassenden Umbau der Energieversorgung und die nötige Anpassung der Industrie bewältigen wir nur als Industrieregion Benelux und Deutschland gemeinsam, oder wir schaffen das gar nicht“, sagt Bangen. „Weltweit werden wir als ein zusammenhängender Standort wahrgenommen.“

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Die Belgier und die Niederländer sehen das genauso. Allerdings sind die Häfen von Rotterdam und Antwerpen den deutschen See- und Binnenhäfen um vermutlich mindestens zwei bis drei Jahre voraus – beim Aufbau einer Infrastruktur für die Wasserstoffwirtschaft und zugleich auch beim Bau von Pipelines, mit denen Kohlendioxid in flüssiger Form auf die Nordsee exportiert werden kann, um es dort dauerhaft unterirdisch einzulagern. Mithilfe der sogenannten Carbon Capture and Storage-Technologie (CCS) sollen künftig große Mengen an Kohlendioxid aus Industrieabgasen abgetrennt, verflüssigt und unterirdisch deponiert werden – vor allem dort, wo Produktionsprozesse mithilfe von Wasserstoff auch in den kommenden Jahren nicht klimaneutral umgestellt werden können. Das betrifft die Zementherstellung, aber auch – für den Übergang – die Gewinnung von Wasserstoff aus Erdgas in einem Prozess, bei dem der Kohlenstoff aus dem Methan abgetrennt wird. Dieses Treibhausgas soll künftig nicht mehr in die Atmosphäre gelangen, sondern deponiert werden.

Umweltverbände und Grüne sind gegen CCS-Technologie

Deutschland hat sich der Einlagerung von Kohlendioxid und der CCS-Technologie jahrelang verschlossen. Neben den Umweltverbänden waren bislang vor allem die Grünen dagegen. Doch der grüne Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck brachte im Februar einen Gesetzentwurf in die Ressortabstimmung der Bundesregierung ein, um künftig auch Emittenten in Deutschland die Nutzung der CCS-Technologie zu ermöglichen.

Boudewijn Siemons, Chef der Hafenverwaltung Port of Rotterdam Authority
Boudewijn Siemons, Chef der Hafenverwaltung Port of Rotterdam Authority
Quelle: Olaf Preuß
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Im Hafen von Rotterdam liegen bereits die Rohre für die Verlegung der ersten CCS-Pipeline. Die niederländischen Energieunternehmen Gasunie und EBN realisieren derzeit gemeinsam mit der Hafenverwaltung Port of Rotterdam Authority das Projekt „Porthos“. Insgesamt jährlich bis zu 2,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO₂) wollen Unternehmen wie Shell und Air Liquide von 2026 an über die Pipeline zu einem ausgeförderten Erdgasfeld auf der Nordsee etwa 20 Kilometer jenseits des Rotterdamer Hafens bringen. Ein weit größeres CCS-Projekt mit dem Namen „Aramis“ und einer jährlichen Kapazität von bis zu 22,5 Millionen Tonnen wird von einem Industriekonsortium bereits geplant. Gasunie wiederum hat im Hafen von Rotterdam mit dem Bau von 30 Kilometern Wasserstoff-Pipelines begonnen. Es ist der erste Teil eines insgesamt bis zu 1200 Kilometer langen, künftigen Wasserstoffnetzes in den Niederlanden – dieses Netz allerdings soll nicht komplett neu verlegt werden. Vor allem auch durch vorhandene Erdgaspipelines soll, nachdem die Leitungen umgerüstet worden sind, künftig Wasserstoff fließen.

Beides – die künftigen Leitungsnetze für Kohlendioxid und für Wasserstoff – wollen die Niederlande auch mit Nordrhein-Westfalen verbinden. „Wir wollen künftig Wasserstoff nach Nordrhein-Westfalen weiterleiten und umgekehrt verflüssigtes Kohlendioxid von Nordrhein-Westfalen in CCS-Projekte durch den Hafen von Rotterdam auf die Nordsee bringen“, sagt Rotterdams neuer Hafenchef Boudewijn Siemons. Als Manager der Hafenverwaltung und vormaliger Interimschef des Hafens von Rotterdam kennt Siemons Duisburg und die Kooperation der Häfen entlang des Rheins seit vielen Jahren im Detail. „Die Industrie- und Energieregion von Antwerpen über Rotterdam bis nach Nordrhein-Westfalen ist in ihrer Logik und Infrastruktur total integriert und eng miteinander verbunden“, sagt er. „Deshalb müssen wir auch bei der Transformation des Energiesystems eng kooperieren und unsere Kräfte bündeln.“

Modell des Elektrolyseurs Holland Hydrogen 1 im Hafen von Rotterdam
Modell des Elektrolyseurs Holland Hydrogen 1 im Hafen von Rotterdam
Quelle: Olaf Preuß

Die technologischen Voraussetzungen dafür sind längst vorhanden. Shell etwa baut derzeit auf der Maasvlakte 2 im Rotterdamer Hafenerweiterungsgebiet Europas größte Anlage zur Wasserstoff-Elektrolyse. Das Projekt „Holland Hydrogen 1“ wird 200 Megawatt Leistung haben und – betrieben mit Strom aus Offshore-Windparks – im Jahr rund 22.000 Tonnen „grünen“ Wasserstoff produzieren können. Und das ist erst der Anfang: Insgesamt zehnmal so viel Kapazität – bis zu 2000 Megawatt Elektroyse-Leistung – strebe der Hafen von Rotterdam bis zum Jahr 2030 an, sagt Siemons.

Nun müssen vor allem in Deutschland auch noch die regulatorischen Bedingungen für die neuen Energienetzwerke geschaffen werden. „Die beteiligten Unternehmen sind zuversichtlich, dass der Bau von Wasserstoffpipelines hier in Westdeutschland 2026/2027 beginnen wird“, sagt Alexander Garbar, Manager für Unternehmensentwicklung und Strategie bei Duisport. „Der größte Teil des künftigen Pipelinenetzes – 70 bis 80 Prozent – werden dafür eigens ertüchtigte Erdgas-Pipelines sein, der übrige Teil des nötigen, künftigen Wasserstoff-Netzes wird neu gebaut werden. Das wird voraussichtlich in den 2030er-Jahren passieren.“ Für die Detailplanungen zu einem künftigen Kohlendioxid-Export mithilfe der CCS-Technologie wiederum fehle noch die geplante umfassende CO₂-Strategie des Bundes: „Wir gehen aber davon aus“, sagt Garbar, „dass der Duisburger Hafen ein Drehkreuz für den Kohlendioxid-Export aus weiten Teilen Deutschlands sein wird – und nicht nur aus Nordrhein-Westfalen.“

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