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Energieimporte

„Wir rechnen mit dem Hochlauf von Ammoniak in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts“

Autorenprofilbild von Olaf Preuß
Von Olaf PreußWirtschaftsreporter
Veröffentlicht am 14.12.2023Lesedauer: 5 Minuten
So soll der künftige LNG-Importterminal des Hanseatic Energy Hub in Stade aussehen (Visualisierung)
So soll der künftige LNG-Importterminal des Hanseatic Energy Hub in Stade aussehen (Visualisierung)Quelle: Hanseatic Energy Hub

In Stade soll Deutschlands größter Importterminal für tief gekühltes, verflüssigtes Erdgas (LNG) entstehen. Doch die Investoren planen mit der Anlage bereits um Jahrzehnte weiter in eine künftige Wasserstoff-Wirtschaft hinein.

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Für die Hansestadt Stade an der Elbe westlich von Hamburg wird dieser Sonnabend ein großer Tag sein. Der staatliche Hafenbetreiber Niedersachsen Ports hat den Hafen von Stade-Bützfleth so ertüchtigt, dass dort im Februar ein für Deutschland weiteres schwimmendes Importterminal für tief gekühltes, verflüssigtes Erdgas (LNG) festmachen kann. Am Sonnabend übergibt Niedersachsen Ports die Anlagen an die bundeseigene Deutsche Energy Terminal GmbH.

Und auch der nächste Meilenstein ist schon in Sicht: Noch in diesem Jahr könnte die finale Investitionsentscheidung fallen, um am Stader Hafen Deutschlands größten stationären LNG-Importterminal zu bauen, mit einer Gesamtkapazität von jährlich 13,3 Milliarden Kubikmetern Gasimport. „Es geht nur noch um Formalitäten“, sagte bei einem Pressegespräch am Mittwoch der Hamburger Hafenlogistik-Unternehmer Johann Killinger, dessen Buss-Gruppe einer der Co-Investoren der Realisierungsgesellschaft Hanseatic Energy Hub ist. Die Baugenehmigung sei bereits vor sechs Wochen erteilt worden. Bis Ende 2043 darf Hanseatic Energy Hub damit LNG importieren. Doch bis dahin könnte dort längst der Import von Ammoniak im Vordergrund stehen.

Nachdem Russland im Februar 2022 die Ukraine überfallen hatte, stellte der Aggressor im Sommer des vergangenen Jahres die Erdgaslieferungen nach Deutschland und Westeuropa ein. Bislang unbekannte Attentäter sprengten obendrein die Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 bei der dänischen Insel Bornholm. Die Bundesregierung reagierte nach Kriegsbeginn sofort und begann, den Import von LNG als zumindest teilweisen Ersatz für russisches Pipelinegas zu organisieren.

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In Rekordzeit gelang es dem Bund, mehrere schwimmende LNG-Importterminals zu chartern, sogenannte FSRU. Das erste dieser Spezialschiffe machte im Dezember 2022 in Wilhelmshaven fest. Das Importschiff „Transgas Force“, das im Februar nach Stade kommen soll, ist nach den bereits arbeitenden FSRU in Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Lubmin das vierte, das Deutschland mit LNG versorgen wird. Ein fünftes Schiff soll im Hafen Mukran auf Rügen eingesetzt werden, dagegen allerdings leisten Anwohner und Umweltschützer weiterhin Widerstand.

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Der Ukrainekrieg und die drohende Erdgaslücke brachte allerdings nicht nur schwimmende Importterminals in Bewegung, sondern auch Projekte für stationäre LNG-Terminals in Stade und Brunsbüttel, die zuvor jahrelang kaum vorangekommen waren. „Stade ist der ideale Standort für einen LNG-Terminal“, sagt Johann Killinger. „Es gibt hier Grundstoffindustrie, einen Höchstspannungs-Stromanschluss, es gibt Verbindungen über die Elbe, über Straßen und Schienen und ein interessiertes Umfeld, das diese Ansiedlung unterstützt.“ Die Kritik vor allem von Umweltschützern, Deutschland habe sich in aller Eile mit LNG-Importterminals überbucht, weist Killinger zurück: „Die Bundesregierung hat eine klare Strategie für die Versorgung mit LNG als Ersatz für Pipelinegas formuliert. Und die schließt auch ein, über den LNG-Import Nachbarländer Deutschlands mit Erdgas mitzuversorgen.“

Der stationäre Terminal in Stade soll 2027 in Betrieb gehen, seine Kapazitäten seien ausgebucht, sagt Killinger. Sechs Milliarden Kubikmeter jährlich nehme der Energiekonzern EnBW ab, vier Milliarden das Energiehandelsunternehmen SEFE, weitere zwei Milliarden Kubikmeter der teilstaatliche tschechische Energieversorger ČEZ. Die übrigen 1,3 Milliarden Kubikmeter Kapazität müssten auf Wunsch der Bundesnetzagentur für den kurzfristigen Handel am Spotmarkt zur Verfügung stehen.

Von Beginn an allerdings bezieht das Konsortium des Hanseatic Energy Hub die deutsche Energiewende in seine Planungen mit ein. Neben LNG etwa aus Frackinggas, das Deutschland aus den USA importiert, soll in Stade auch LNG auf der Basis von Biomasse und regenerativ erzeugtem Wasserstoff importiert werden. Grundsätzlich wollen die Investoren das LNG-Terminal schrittweise auf den Import von „grünem“ Ammoniak umstellen.

Ammoniak besteht aus Stickstoff und Wasserstoff und ist der weltweit meistproduzierte chemische Grundstoff, es dient etwa als Basis für Düngemittel. Ammoniak gilt als gut geeignetes Medium, um künftig große Mengen an Wasserstoff für den Transport zu binden – Wasserstoff, der in wind- und sonnenreichen Staaten mithilfe von Ökostrom per Elektrolyse erzeugt werden soll. Die Handhabung von Ammoniak ist etabliert, die Chemikalie kann auf Tankern bei minus 33,5 Grad transportiert werden und damit wesentlich leichter als etwa LNG, das minus 161 bis minus 164 Grad Kälte benötigt, oder als flüssiger Wasserstoff, der auf minus 253 Grad gekühlt werden muss. Stickstoff zur Herstellung von Ammoniak wiederum ist unbegrenzt verfügbar, die Erdatmosphäre besteht zu etwa 78 Prozent daraus.

Um Ammoniak zu importieren, müssten die Tanks des geplanten LNG-Terminals später umgerüstet werden, sagte Jörg Schmitz vom Chemiekonzern Dow, einem der Partner des Hanseatic Energy Hub. Bereits vorher aber werde man auf dem Gelände an der Elbe entsprechende andere Kapazitäten zum Import von Ammoniak vorhalten, sagte Killinger: „Wir rechnen mit einem Hochlauf des Ammoniak-Imports in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts. Wie schnell das LNG-Terminal dann auf Ammoniak umgerüstet wird, hängt von der Entwicklung des Energiemarktes ab.“

In Stade stellt Dow heutzutage per Elektrolyse aus Elbwasser bereits jährlich rund 50.000 Tonnen Wasserstoff für seine eigenen Produktionsprozesse vor Ort her. Künftig müsse ein großer Teil der deutschen Energie in Form von „grünem“ Wasserstoff importiert werden, sagte Schmitz: „Die Herstellung von ,grünem’ Wasserstoff kostet sehr viel Energie. Das ergibt wirtschaftlich vor allem in denjenigen Ländern Sinn, in denen sehr viel Fläche zur Verfügung steht und die obendrein ein großes Potenzial an Solar- oder Windenergie haben.“

Das gilt speziell für jene Wüstenstaaten wie etwa Saudi Arabien, die heutzutage noch vom Export großer Mengen an Erdöl und Erdgas leben. Wie schnell diese Staaten ihre Energieproduktion hin zu „grünem“ Wasserstoff umbauen – eine Hoffnung, die mit dem heute beendeten Welt-Klimagipfel verbunden ist –, das wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen.